Krankenanlage Hahn

Hahner Busch, Ortsteil Hahn-Lehmden, 26180 Rastede

Krankenhaus-Sonderanlage Aktion Brandt – Anlage Hahn

Während des Zweiten Weltkriegs gab es in den Städten viele Bombenopfer. Daher wurden außerhalb der Städte sogenannte Ausweichkrankenhäuser eingerichtet. 1942 wurde beschlossen, auf einem zehn Hektar großen Gelände am Hahner Busch in Hahn-Lehmden ein Ausweichkrankenhaus in der dafür üblichen Barackenbauweise anzulegen: Auf Betonfundamenten wurden Holzbaracken errichtet. Die Krankenanlage Hahn bestand aus einem langen Gang, von dem Seitentrakte abgingen, in denen sich die Krankenstationen und die Küche befanden. Es waren eine innere, eine chirurgische und eine gynäkologische Station vorhanden. In einer gesonderten und aus Stein gebauten Baracke befand sich außerdem eine Infektionsabteilung. Auf dem Gelände am Hahner Busch wurden weitere Baracken errichtet, in denen sich Büros, Wohnungen der Ärzte und Unterkünfte des Personals befanden. Zu den Belegungskapazitäten der Krankenanlage mit der amtlichen Bezeichnung „Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt – Anlage Hahn“ finden sich verschiedene Angaben: Günther Heutzeroth gibt in seinem Buch „Die im Dreck lebten“ 750 Betten an, Ingo Harms nennt in „Biologismus: Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie“ eine Kapazität von 550 Betten.


  • Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3. Osnabrück: Druck- und Verlagskooperative 1996, S. 49. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
  • Harms, Ingo: Biologismus: Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie. Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 2011, S. 83f. (Das Buch kann in der Universitätsbibliothek der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ausgeliehen werden.)

Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen in der Krankenanlage Hahn

In der Krankenanlage Hahn wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen als Arbeiter*innen eingesetzt, hauptsächlich stammten sie aus Polen und der Ukraine. Frauen arbeiteten als Haus- und Küchenmädchen sowie als Schwesternhelferinnen. Männer wurden als Krankenpfleger und für Gartenarbeit eingesetzt. Untergebracht waren sie in gesonderten Baracken auf dem Gelände.

Schon im Ersten Weltkrieg gab es am Hahner Busch ein Lager für Kriegsgefangene. Während des Zweiten Weltkriegs waren auf dem Gelände in einer eigenen Baracke sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. Sie mussten Lade- und Transportarbeiten für eine Marine-Kompanie aus Wilhelmshaven verrichten, die auf dem Gelände eine Werkstatt hatte.

Seit 1944 wurden in dem Ausweichkrankenhaus neben Bombenopfern auch deutsche Soldaten und Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter*innen behandelt. Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen waren hauptsächlich im Ammerland eingesetzt, teilweise kamen sie aber auch aus Oldenburg und den umliegenden Kreisen nach Hahn. Laut einer Liste der Gemeindeverwaltung Rastede aus dem Jahr 1946 seien zwischen 1944 und 1946 insgesamt 365 Menschen in Hahn behandelt worden. Von diesen waren 105 Personen aus der Sowjetunion, 95 aus Polen, 85 aus den Niederlanden und eine geringe Anzahl aus anderen Ländern. Es ist anzunehmen, dass die Angaben in den wenigen vorliegenden Akten nicht vollständig sind. Mangels Krankenakten oder anderer Dokumente kann auch keine genauere Aussage darüber getroffen werden, wie hoch die Sterblichkeitsrate war und woran die Menschen starben. Es ist zudem wahrscheinlich, dass bei Kriegsende Akten vernichtet wurden, die auf verdächtige Behandlungsmethoden hinwiesen. Auch die Ausweichkrankenhäuser waren — wie es auch die amtliche Bezeichnung besagt — Teil der „Aktion Brandt“. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass auch in der Krankenanlage Hahn vor allem bei Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen absichtliche Vernachlässigung und Unterernährung angewandt wurden, um den Tod von nicht mehr arbeitsfähigen Menschen herbeizuführen, wie es für die „Kranken- und Pflegeanstalt Wehnen“ belegt ist. Die zahlreichen Gräber von polnischen und ukrainischen Kindern und jungen Frauen auf dem Ehrenfriedhof Rastede lassen zumindest erahnen, dass die Umstände während Schwangerschaft und Geburt so schlimm waren, dass viele Mütter an den Folgeschäden starben. Vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Rassenlehre ist davon auszugehen, dass der Tod der als wertlos betrachteten Babys, der offiziell mit dem Begriff „Lebensschwäche“ begründet wurde, in erster Linie auf bewusster Vernachlässigung beruhte. Es lassen sich jedoch keine genaueren Aussagen über konkrete Maßnahmen im Rahmen der „Aktion Brandt“ in der Krankenanlage Hahn treffen.


  • Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3. Osnabrück: Druck- und Verlagskooperative 1996, S. 50f. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
  • Harms, Ingo: Biologismus: Zur Theorie und Praxis einer wirkmächtigen Ideologie. Oldenburg: BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 2011, S. 83f. (Das Buch kann in der Universitätsbibliothek der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ausgeliehen werden.)

Über die Krankenanlage Hahn sind nur wenige Dokumente erhalten. Diese Karte aus dem Privatbesitz des Rasteders Rudolf Wegehaupt, und andere Originaldokumente sind in Günther Heuzeroths Buch „Die die im Dreck lebten“ abgebildet.


Die Lagerstraße und das Gelände sind heute nahezu unverändert. Dort, wo früher die Krankenanlage war, steht jetzt eine Photovoltaikanlage. Darunter befinden sich noch die Betonfundamente der Krankenanlage. Auf dem Luftbild kann man sie unter der Photovoltaikanlage ganz gut erkennen.


Hier wurde die Karte aus dem Besitz von Rudolf Wegehaupt über das aktuelle Luftbild von dem Gelände am Hahner Busch gelegt.

Quelle Luftbild: Auszug aus den Geodaten des Landesamtes für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, ©2022 LGLN

Nach Kriegsende

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Niedersachsen zum Verwaltungsgebiet der Briten. Damit wurde die Krankenanlage zum „British Displaced Persons Hospital Hahn“. Als „Displaced Persons“ wurden die entwurzelten Zwangsarbeiter*innen bezeichnet, die nach dem Krieg nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten oder wollten. Am 17. September 1946 waren nach Angaben der Gemeindeverwaltung noch 148 Menschen im Displaced-Persons-Hospital, im Jahr 1950 sollen sich dort noch 120 Ausländer*innen befunden haben. Es ist allerdings unklar, ob diese Angaben vollständig sind. Bis zum Januar 1947 waren die Patient*innen des Displaced-Persons-Hospital vor allem Menschen aus dem Gebiet der Sowjetunion. Danach wurden auch wieder Deutsche hier behandelt.

Als das Bundesland Niedersachsen gegründet wurde, wurde die Krankenanlage zu einer Landeskrankenanstalt, in der auch aus Russland zurückgekehrte Deutsche und Tuberkulose-Kranke behandelt wurden. 1952 wurde die Anlage zu einer Lungenheilstätte, bis sie im Jahr 1954 dann aufgelöst wurde. Anschließend wurden die Gebäude als Durchgangslager für Flüchtlinge aus der DDR genutzt. In den „Ammerländer Nachrichten“ vom 5. Februar 1956 wird berichtet, dass sich dort 1100 Flüchtlinge aus der DDR aufhielten. Im Jahr 1966 wurde das Lager geräumt. Einige Zeit lang nutzte die Bundeswehr das Gelände, bis die Baracken schließlich abgerissen wurden. Von 1977 bis 2012 befand sich auf dem Gelände ein Campingplatz. Seit 2012 steht auf dem 10 Hektar großen Gelände eine Photovoltaikanlage.


Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3. Osnabrück: Druck- und Verlagskooperative 1996, S. 50 und 55. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)

Mahnmal „Displaced Persons“

Im Jahr 2010 wurde an der ehemaligen Zufahrtsstraße zum Gelände am Hahner Busch die Skulptur „Displaced Persons“ des Rasteder Künstlers Jochen Kusber aufgestellt. Die Figurengruppe aus aus Jahrtausende alter Mooreiche soll an die lange Geschichte des Machtmissbrauchs an diesem Ort und die Folgen für die Gefangenen, Verschleppten, Geflohenen und Entwurzelten erinnern. Die Skulptur ist eines von sechs Kunstwerken, die der „Kunstpfad“ Ammerland in den Ammerländer Gemeinden installiert hat, um auf „Vergessene Orte“ und ihre historische Bedeutung aufmerksam zu machen. Im Jahr 2021 wurde das Mahnmal nach einer aufwendigen Restaurierung wieder eingeweiht.


Drobinski, Erhard: Vergessener Ort ist wiedererweckt: Mahnmal „Displaced Persons“ von Joachim Kusber originalgetreu restauriert. In: NWZ online, 30.08.2021, https://www.nwzonline.de/plus-ammerland/hahn-lehmden-kunstpfad-vergessener-ort-ist-wiedererweckt_a_51,3,996368630.html, letzter Zugriff: 24.06.2022.

Weitere Informationen zum „Kunstpfad Ammerland“ unter: http://kunstpfad-ammerland.de