Das Rasteder Schloss
Oldenburger Str. 202 B, 26180 Rastede
Friedrich August von Oldenburg, letzter Großherzog
Dass sich die Nationalsozialisten in Oldenburg und Umgebung schon sehr früh etablieren konnten, kann auch auf die Mentalität der Landbevölkerung zurückgeführt werden: Heimatstolz, starkes Traditionsbewusstsein, Autoritätsgläubigkeit, Skepsis gegenüber Neuem und Veränderungen. Dazu kam eine hohe Begeisterung für alles Militärische. Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs gewannen nationalistisch und antisemitisch eingestellte politische Organisationen wie die Deutschnationale Volkspartei und der „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ in der Region immer mehr an Zuspruch.
Außerdem spielte das Verhalten des Großherzogs von Oldenburg und seiner Familie für den raschen Aufstieg des Nationalsozialismus in Oldenburg und im Ammerland eine besondere Rolle. Denn die großherzogliche war Familie sehr hoch angesehen – ganz besonders in Rastede. Großherzog Friedrich August (1852-1931) war der letzte Großherzog von Oldenburg. Als die Monarchie im Jahr 1918 abgeschafft wurde, zog Friedrich August von Oldenburg mit seiner zweiten Ehefrau Elisabeth Alexandrine zu Mecklenburg und seinen vier Kindern Sophie Charlotte, Nikolaus Friedrich Wilhelm, Ingeborg Alix und Altburg Marie Mathilde nach Rastede ins Schloss, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1931 lebte.
Friedrich August von Oldenburg ließ verlauten, dass der Hof keine Waren von Juden kaufe, und erwartete, dass alle Hofbeamten es genauso machten. Außerdem unterstützte er die antisemitisch eingestellten politischen Organisationen „Deutschnationale Volkspartei“ und „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“. Bei seiner Beerdigung am 2. März 1931 durften nur zwei politische Organisationen in seinem Trauerzug marschieren: der „Stahlhelm – Bund deutscher Frontsoldaten“ und die SA („Sturmabteilung“, Kampforganisation der NSDAP). Dies trug erheblich dazu bei, dass die SA im Ammerland und in deutschen Adelskreisen an Ansehen gewann.
Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. 1989, S. 20-22. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg
SA-Standartenführer und Förderer des völkischen „Eutiner Dichterkreises“
Nach dem Tod des Großherzogs war sein Sohn Nikolaus Friedrich Wilhelm (1897-1970) das Oberhaupt der Familie von Oldenburg. Auch er war in der Zeit der Weimarer Republik ein Mitglied des „Stahlhelms“ und unterstützte die Deutschnationale Volkspartei. Als der „Stahlhelm“ im September 1933 in die SA integriert wurde, schloss er sich den Nationalsozialisten an und kommandierte eine SA-Reiterstandarte.
Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg unterstützte die Nationalsozialisten vor allem bei der Propaganda mit seinem Namen und seinem Geld. Er förderte besonders den „Eutiner Dichterkreis“, eine Gruppe völkischer Dichter aus Norddeutschland, welche die Nazi-Ideologie in ihrer Dichtung verbreiteten.
Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. 1989, S. 23. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Unterstützung der Eroberungspläne der Nationalsozialisten
Besonders die Eroberungs- und Siedlungspläne der Nationalsozialisten fanden bei Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg Anklang. Knapp drei Wochen vor dem Angriff auf die Sowjetunion schrieb er einen Brief an Heinrich Himmler, aus dem deutlich wird, dass er auf einen erfolgreichen Eroberungskrieg hoffte, um sich und seine Familie zu bereichern:
„Sehr geehrter Herr Himmler! […] Da ich insgesamt 6 Söhne habe, würde ich gern noch weiteren Grundbesitz für meine jüngeren Söhne erwerben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich kurz wissen lassen würden, ob grundsätzlich die Möglichkeit des Ankaufs größerer Güter im Osten für mich gegeben sein wird.“
Nikolaus Erbgroßherzog v. Oldenburg an Himmler 2.6.1941 in: BAB (BDC), Nikolaus Großerbherzog v. Oldenburg, 10.08.1897. zit. nach: Malinowski, Stephan: Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus. Berlin: Akademie Verlag 2003, S. 501. (Das Buch kann in der Universitätsbibliothek der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg als Buch und E-Book ausgeliehen werden.)
Das Rasteder Schloss während des Zweiten Weltkriegs
Erinnerungen des Ehepaars Lehners aus Rastede
Frau Lehners erinnerte sich daran, dass sie mit den anderen Mädchen des Bund Deutscher Mädel (BDM), einer Jugendorganisation der Nationalsozialisten, während des Zweiten Weltkriegs im Schlossgarten für kranke Soldaten gesungen hat. Die großherzogliche Familie lebte in dieser Zeit nicht in Rastede. Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg habe das Rasteder Schloss der Marine zur Verfügung gestellt. Herr und Frau Lehners berichteten, dass das Schloss als Lazarett und Erholungsort für ranghohe Offiziere diente, die sich mit ihren Familien dort aufhielten, zum Beispiel die Admiräle von Trotha und zu Mecklenburg sowie Kapitän Schneider.
Nach dem Ende des Nationalsozialismus
Nikolaus Friedrich Wilhelm von Oldenburg war in Rastede bis zu seinem Tod im Jahr 1970 sehr beliebt. Mit seiner Zustimmung konnte im Jahr 1948 der Bau einer Reitsportanlage im Schlosspark begonnen werden. Viele Jahre war er dann Schirmherr der dort ausgetragenen Oldenburger Landesturniere. Außerdem war er Mitbegründer und erster Schirmherr der Rasteder Musiktage, die seit dem Jahr 1955 jährlich stattfinden.
Heinz Coldewey: Rastede in alten Bildern. Oldenburg: Holzberg 1985, S. 20. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Ingeborg Alix zu Schaumburg-Lippe
Ingeborg Alix von Oldenburg heiratete am 4. Juni 1921 im Rasteder Schloss Stephan zu Schaumburg-Lippe. Sie verließ Rastede mit ihrem Ehemann und kehrte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hierher zurück. Von Rastede aus setzte sie sich dann für die Freilassung verurteilter NS-Täter ein.
Aufbau von SS-Frauenorganisationen im Ausland
Stephan zu Schaumburg-Lippe und Ingeborg Alix waren bereits im Jahr 1928 bei Versammlungen der NSDAP in München und traten der Partei 1930 bei. Ab 1933 war Stephan zu Schaumburg-Lippe ein ranghoher Diplomat des Nazi-Regimes, zunächst war er in Sofia (Bulgarien) tätig. Ingeborg Alix begleitete ihren Ehemann nach Bulgarien und wurde dort Referentin für Frauenfragen bei der Landesgruppe der Auslandsorganisation der NSDAP. Außerdem übernahm sie das Amt der Landesleiterin und stellvertretenden Mädelführerin in Bulgarien. Ihre Aufgabe war es, im Ausland SS-Frauenorganisationen aufzubauen. Dieselbe Funktion bekleidete Ingeborg Alix in Italien, als Stephan zu Schaumburg-Lippe nach Rom versetzt wurde. Nach der Versetzung ihres Ehemanns nach Rio de Janeiro (Brasilien) leitete sie dort die Organisation der „deutschstämmigen Frauen“. Bis 1943 lebte das Ehepaar dann in Buenos Aires (Argentinien). Hier leitete Ingeborg Alix die Frauengruppe der Deutschen Arbeiterfront (DAF) und die Wohlfahrtsarbeit. Außerdem war sie für die nationalsozialistische Zeitschrift „Der Trommler“ tätig.
Zweithöchste SS-Führerin im Deutschen Reich
Im Jahr 1943 kehrten Stephan Schaumburg zu Lippe und Ingeborg Alix nach Deutschland zurück. Ihre Schwester Altburg Marie Mathilde war mit Josias zu Waldeck und Pyrmont verheiratet. Dieser bekleidete im Nazi-Regime hohe Ämter, war SS-Obergruppenführer sowie General der Waffen-SS und Polizei. Er stellte Ingeborg Alix dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vor und empfahl sie für einen Führungsposten im SS-Helferinnenkorps, der Organisation für die weiblichen Mitglieder der Waffen-SS. Ab Herbst 1944 bekleidete Ingeborg Alix wichtige Ämter im SS-Helferinnenkorps und wurde so zur zweithöchsten SS-Führerin im Deutschen Reich. Ingeborg Alix und ihr Ehemann waren mit Heinrich Himmler und seiner Frau gut befreundet. Es sind zahlreiche persönliche Briefe von Ingeborg Alix an Heinrich Himmler erhalten.
Nach dem Ende des Nationalsozialismus: Rückkehr nach Rastede und Unterstützung von verurteilten NS-Tätern
Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieb Ingeborg Alix dem Nationalsozialismus treu. In der Organisation „Stille Hilfe für Kriegsgefangene und Internierte“ betreute sie angeklagte und verurteilte NS-Täter. Dazu gehörte auch ihr Schwager Josias zu Waldeck und Pyrmont. Der Ehemann ihrer Schwester Altburg Marie Mathilde war ein ranghoher Nationalsozialist. Für Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem KZ Buchenwald wurde er zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt.
Ab 1948 wohnte Ingeborg Alix wieder in Rastede. Von hier aus setzte sie sich für die Freilassung rechtskräftig verurteilter Angehöriger der ehemaligen SS und anderer prominenter NS-Größen ein und konnte dabei auch bekannte Regionalpolitiker für ihre Ziele gewinnen. Ihr Schwager Josias zu Waldeck und Pyrmont wurde 1950 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus der Haft entlassen.
Mühlenberg, Jutta: Das SS-Helferinnenkorps: Ausbildung, Einsatz und Entnazifizierung der weiblichen Angehörigen der Waffen-SS 1942-1949. Hamburg: Hamburger Edition HIS Verlagsges.mbH 2011, S. 437f.
Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. 1989, S. 25. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)