Bauschule Rohde
Anton-Günther-Straße 8, 26180 Rastede
Das Ammerland als frühe Hochburg der NSDAP
In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg fand der Nationalsozialismus in Deutschland immer mehr Anhänger. Die Judenfeindlichkeit in der Bevölkerung nahm zu und die Rassenideologie der Nazis stieß auch in der gehobenen Gesellschaft auf Begeisterung. Aus dem Geschichtsunterricht wissen wir, dass ganz Deutschland betroffen war. Aber sah es hier bei uns im Ammerland genauso aus?
Da es in den Ammerländer Gemeinden kaum Mahnmale, Stolpersteine oder Hinweistafeln gibt, die an Verbrechen der Nationalsozialist*innen erinnern, könnte man meinen, dass es hier vielleicht nicht so schlimm gewesen sei. Dem ist aber nicht so, gerade das Ammerland war schon früh eine Hochburg des Nationalsozialismus und hier hat sich vieles zugetragen, woran zum Beispiel mittels Gedenktafeln erinnert werden sollte.
Für die Radtour wurde als Rasteder Erinnerungsort für den Aufstieg der NSDAP im Ammerland die ehemalige Bauschule Rohde gewählt – jedoch nicht, um sie in einen direkten Zusammenhang mit den Nationalsozialisten zu bringen. Hier steht vielmehr das von Lehrlingen gestiftete Buntglasfenster aus dem Jahr 1334/35 für den stark ausgeprägten traditionellen Nationalismus in der Bevölkerung, der neben anderen Faktoren als Nährboden für die große Zustimmung gelten kann, die die Nationalsozialisten im Ammerland und Rastede erhielten. Nationalismus und Rassenlehre waren zu dieser Zeit in Deutschland und ganz Europa so stark verbreitet, dass Hitlers Ideologien auf fruchtbaren Boden fielen.
Gründe für den schnellen Aufstieg der NSDAP im Ammerland
Gerade im Ammerland hatten die Nationalsozialisten großen Erfolg. Grund dafür waren die überwiegend bäuerliche und von der Wirtschaftskrise stark betroffene Bevölkerung. Die Menschen waren mit der Handhabung der Krise durch die Regierung sehr unzufrieden und fühlten sich mit ihren Problemen allein gelassen. In Folge des Ersten Weltkriegs fehlte es an Sicherheit und Ordnung, die Inflation und Wirtschaftskrise führten dazu, dass der überwiegend von Bauern geprägten Bevölkerung die notwendigen Mittel fehlten, um ihre Höfe angemessen betreiben zu können. In dieser von Krisen geprägten Zeit fingen die Menschen an, das demokratische Staatswesen der Weimarer Republik mit der eigenen Existenzmisere zu assoziieren. Viele suchten nach einer neuen, rettenden Autorität, die sie aus der Existenzkrise führen sollte. Ihre Hoffnung auf einen Ausweg galt alsbald überwiegend den Nationalsozialisten. Für diese Hoffnung sah man auch über die Ausmaße des Fanatismus Hitlers und der Nationalsozialisten hinweg, selbst wenn sie sich auch vor Ort schon in der zunehmenden Ausgrenzung und Repression von Juden zeigte.
Harms, Helmut: Nach dem 30. Januar 1933: Fackelzüge auch in Westerstede, Bad Zwischenahn und in Augustfehn: Vormarsch der „Braunen“ war nicht mehr aufzuhalten. In: NWZ, 29.01.1983, S. 27. (Dieser Artikel kann im Online-Archiv der NWZ nur von Abonnent*innen abgerufen werden.)
Adolf Hitler zu Besuch im Oldenburger Land
Seine erste Rede im Oldenburger Land hielt Hitler im Jahr 1928 vor Nationalsozialisten aus der Region. Im November 1930 kam er wieder nach Oldenburg, wo er im Ziegelhof sowie in den Gaststätten „Lindenhof“ und „Astoria“ Reden hielt. 1931 hielt sich Hitler mehrere Tage im Oldenburger Land auf und hielt Reden in Oldenburg, Cloppenburg, Jever und Delmenhorst.
Vor Beginn der Landtagswahlen 1932 reiste Hitler erneut durch das Oldenburger Land. Von Oldenburg reiste er weiter nach Rüstringen (heute Wilhelmshaven), Rodenkirchen, Delmenhorst und Cloppenburg, um dort Reden zu halten. Zum Schluss besuchte er Bad Zwischenahn. Auch in Rastede machte Hitler auf dieser Reise halt. In einer Zeitung von 1932 ist dazu zu lesen:
„Auf seinen Agitationsfahrten durch das Oldenburger Land kam Hitler auch mehrere Male durch unseren Ort, wo er dann bei seinem Busenfreund, dem Schwiegersohn des ehemaligen Großherzogs, H. von Hedemann, abstieg. So auch gestern. (…) Im Hof von Oldenburg fand dann eine Häuptlingsbesprechung statt. Dann aber schnell wieder zum Palais zum 3-Uhr-Tee.“
Außerdem besuchte Hitler die Fabrikhallen einer Maschinenfabrik in Bad Zwischenahn. In einer Massenkundgebung sprach er am 27. Mai 1932 in Bad Zwischenahn vor etwa 10 000 Menschen. In einer Festschrift der NSDAP von 1933 heißt es dazu:
„Unvergesslich und von ganz besonderer Bedeutung wird dieser Besuch des Führers in Bad Zwischenahn für immer bleiben.“
So wurde das Ammerland zu einer Hochburg der Nationalsozialisten. Bei den Wahlen des Oldenburger Landtags einige Tage später gewann die NSDAP mit 48,38 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Der Freistaat Oldenburg war damit der erste nationalistisch regierte Staat im deutschen Reich.
- Marken, Günter: Geschichtsträchtige Nazi-Villa in Bad Zwischenahn wird abgerissen. In: nordwest-sonntagsblatt.de, 27.10.2021, https://www.nordwest-sonntagsblatt.de/nachrichten/ammerland/geschichtstraechtige-nazi-villa-in-bad-zwischenahn-wird-abgerissen.html, letzter Zugriff: 19.12.2022.
- Marken, Günter: Als Adolf Hitler vor 10.000 Menschen sprach. In: NWZ online, 09.11.2021, https://www.nwzonline.de/plus-ammerland/bad-zwischenahn-rastede-oldenburg-geschichte-als-hitler-vor-10000-menschen-sprach_a_51,4,1783254896.html, letzter Zugriff: 24.06.2021. (Dieser Artikel der NWZ kann als „PLUS-Artikel“ von Abonnent*innen oder gegen Entgelt abgerufen werden.)
Zeitliche Abfolge des Aufstiegs der NSDAP im Ammerland
1927
Die ersten NSDAP-Mitglieder zeigten sich im Raum Rastede.
1928
In Wiefelstede wurde die erste ammerländische Ortsgruppe der NSDAP gegründet.
Die Nationalsozialisten gewannen bei der Reichstagswahl 18,7 Prozent in Ammerland, der Durchschnitt im Land lag noch bei 2,5 Prozent.
1930
Ein Organisationsnetz der NSDAP erstreckte sich über alle Ammerländer Gemeinden.
Bei der Wahl des Reichstags im September 1930 erhielt die NSDAP 59 Prozent der Stimmen. Bei dieser Wahl war die NSDAP im Gesamtreich sehr erfolgreich, daher wird sie als ein erster entscheidender Schritt auf dem Weg zur Machtergreifung betrachtet.
Das Ammerland wurde zur Hochburg der Nazis. Hitler kam zu Besuch ins Oldenburger Land.
1931
In Augustfehn fand eine „blutige Saalschlacht“ statt, bei der SA-Führer Bruno Bode und seinen 17 Mann gegen eine Gruppe von Kommunisten kämpfte.
Hitler unternahm eine mehrtägige Reise durchs Oldenburger Land und umliegende Städte.
1932
Am 27. Mai kam Hitler nach Rastede. Er besuchte Sophie Charlotte von Oldenburg und Harald von Hedemann im Palais.
Im Mai gewannen die Nazis 11 256 von 13 559 im Ammerland abgegebenen Stimmen bei der oldenburgischen Landtagswahl.
Im Juli gewann die NSDAP 77,8 Prozent bei der Reichstagswahl.
Im Ammerland gab es schon 26 NSDAP-Ortsgruppen, 1700 Parteimitglieder, 500 zugehörige nationalsozialistische Frauenschafts- Mitglieder und 100 Hitlerjugendmitglieder.
1933
Man reagierte auf die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar mit „einer ungewöhnlichen freudigen Erregung“ – wie es damals hieß.
Am 5. Mai gingen 74 Prozent der Stimmen bei der Reichstagswahl an die NSDAP.
Nazis gewannen lokale Ämter in Westerstede und planten zwei große Projekte: den Westersteder Wasserturm und den Bau einer Koloniestraße.
- Harms, Helmut: Nach dem 30. Januar 1933: Fackelzüge auch in Westerstede, Bad Zwischenahn und in Augustfehn: Vormarsch der „Braunen“ war nicht mehr aufzuhalten. In: NWZ, 29.01.1983, S. 27.
- Harms, Helmut: Schon bald erdrückende Mehrheit für Hitler. In: NWZ, 29.01.1983, S. 27.
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