Das Haus der jüdischen Familie Pagener

Raifeissenstraße 19, 26180 Rastede

Die jüdische Familie Pagener

Zur jüdischen Familie Pagener gehörten Norbert Pagener, seine Frau Anna und die zwei Töchter namens Ruth und Ingrid. Norbert Pagener war Viehhändler. Die Familie lebte in der Knoopstraße 106 (heutige Raiffeisenstraße 19). Anna Pagener war eine Tochter von Levie und Sophie de Levie. Die Familie de Levie wohnte in der Bahnhofstraße (heutige Hausnummer 24).

  • Name: Norbert Pagener
  • Beruf: Viehhändler
  • Ehefrau: Anna Pagener, geb. de Levie
  • Kinder: Ruth und Ingrid Pagener
  • Geburtsdatum: 29.03.1896
  • Geburtsort: Epe/Westfalen
  • Todestag: unbekannt (1944/45)
  • Todesort: Vernichtungslager Auschwitz
  • Name: Ruth Esther Pagener
  • Geburtsdatum: 26.07.1926
  • Eltern: Norbert Pagener und Anna Pagener, geb. de Levie
  • Geburtsort: Oldenburg
  • Todestag: unbekannt (1944/45)
  • Todesort: Konzentrationslager Stutthof
  • Name: Anna Pagener (geborene de Levie)
  • Geburtsdatum: 18.09.1905
  • Geburtsort: Rastede
  • Ehemann: Norbert Pagener
  • Kinder: Ruth und Ingrid Pagener
  • Todestag: unbekannt (1944/45)
  • Todesort: Konzentrationslager Stutthof
  • Name: Ingrid Sophie Pagener
  • Geburtsdatum: 07.07.1928
  • Geburtsort: Rastede
  • Eltern: Norbert Pagener und Anna Pagener, geb. de Levie
  • Todestag: unbekannt (1944/45)
  • Todesort: Konzentrationslager Stutthof

Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. Oldenburg 1989, S. 62f. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)

Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland. Koblenz: Bundesarchiv, Eintrag für Norbert Pagener: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de436490.

Arolsen Archives: International Center on Nazi Persecution:
Akte von Anna Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589226?s=pagener%20anna&t=2518740&p=0
Akte von Ruth Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589232?s=pagener%20ruth&t=2518743&p=0
Akte von Ingrid Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589229?s=pagener%20ingrid&t=2518742&p=0

Diskriminierung und Ausgrenzung

Die zunehmende Ausgrenzung der jüdischen Menschen seit 1933 traf auch die Kinder. Am 14. Oktober 1935 berichtete der Bürgermeister von Rastede, dass in der Volksschule noch drei jüdische Kinder gebe. Bei diesen drei „Judenkindern“ handelte es sich um Ruth und Ingrid Pagener sowie ihre Cousine Hannelore Rosenbaum (Tochter von Grete Rosenbaum, geb. de Levie). Hannelore Rosenbaum überlebte den nationalsozialistischen Terror und berichtete später, dass sie auf dem Schulweg zur Rasteder Volksschule täglich schikaniert und verprügelt wurde. Die Mitschüler*innen wurden dazu vor allem von den nationalsozialistischen Lehrkräften aufgehetzt. Die jüdischen Kinder trauten sich nicht, sich gegen die Angreifer*innen zu wehren, weil sie Angst hatten Angst, dass ihre Eltern dann verhaftet werden.


Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. Oldenburg 1989, S. 39. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)


Erinnerungen der Zeitzeugin Frau Lehners aus Rastede

Frau Lehners erinnert sich an Schikanen, die Ruth und Ingrid Pagener in der Schule durch die Lehrerin erlitten. Diese sei eine glühende Nationalsozialistin gewesen, die in der Schule stets stolz ihr NSDAP-Abzeichen getragen habe. Frau Lehners war zu dieser Zeit mit einem Mädchen namens Lore befreundet, die eine Schulfreundin von Ruth Pagener gewesen sei. Lore habe Ruth auch zu ihrem Geburtstag eingeladen. Daraufhin habe Frau Pagener Lores Eltern gefragt, ob auch Ruths Schwester Ingrid an der Geburtstagsfeier teilnehmen könne, weil ihre Töchter ja sonst nirgends mehr hinkönnen. Dass die beiden jüdischen Mädchen bei Lore zum Geburtstag waren, sprach sich so schnell zur Lehrerin herum, dass diese gleich am nächsten Tag die Familie von Lore zu Hause besucht und die Mutter beschimpft habe, weil jüdische Kinder eingeladen wurden.

Vertreibung, Deportation, Ermordung

Weil Norbert Pagener ab 1936 den Unterhalt der Familie nicht mehr als Viehhändler bestreiten konnte und sich die Situation für die Familie immer weiter zuspitzte, zogen die Pageners 1937 nach Oldenburg. Ruth und Ingrid besuchten in Oldenburg die jüdische Schule.

Im November 1938 floh Norbert Pagener in die Niederlande, im März 1939 holte er seine Familie nach. In Amsterdam wollten sie sich eine neue Existenz aufbauen. Zuerst schöpften sie neue Hoffnung, doch dann marschierte im Mai 1940 die Wehrmacht in den Niederlanden ein. Die Familie wurde festgenommen und ins Durchgangslager Westerbork (Niederlande) gebracht. Von dort wurden sie 18. Januar 1944 ins Konzentrationslager Theresienstadt (Tschechien) deportiert. Am 16. Mai 1944 wurde die Familie ins KZ Auschwitz (Polen) gebracht. Norbert Pagener ist dort verstorben. Anna, Ruth und Ingrid Pagener wurden am 20. Juli 1944 von Auschwitz ins KZ Stutthof (Polen) deportiert, wo sie ebenfalls starben. Das genaue Todesdatum ist nicht bekannt. Norbert Pagener wurde nicht älter als 48 Jahre, Anna Pagener wurde nicht älter als 40 Jahre, Ruth wurde nicht älter als 18 und Ingrid nicht älter als 16 Jahre alt.


Vahlenkamp, Werner: Von der Achtung zur Ächtung: Die Geschichte der Rasteder Juden. Oldenburg 1989, S. 44. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)

Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland. Koblenz: Bundesarchiv, Eintrag für Norbert Pagener: https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de436490.

Arolsen Archives: International Center on Nazi Persecution:
Akte von Anna Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589226?s=pagener%20anna&t=2518740&p=0
Akte von Ruth Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589232?s=pagener%20ruth&t=2518743&p=0
Akte von Ingrid Pagener: https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/4589229?s=pagener%20ingrid&t=2518742&p=0

Das Haus in der Raiffeisenstraße 19

Die Familie Pagener lebte in einem Wohnhaus in der damaligen Knoopstraße 106, welches um 1900 erbaut worden war. Von 1900 bis 1926 gehörte das Haus Heinrich Eilers, dem Besitzer eines Dampfsägewerks und einer Holzwarenfabrik in Rastede. Von 1926 bis 1940 war Norbert Pagener Eigentümer des Hauses. Sein „Nutz- und Fettviehgeschäft“ befand sich in den Anbauten hinter dem Haus. Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde das Haus enteignet und vermietet. Die Anbauten wurden saniert und mit Wohnungen ausgestattet. Durch An- und Umbau enstanden die heutigen Wohnhäuser Raiffeisenstraße 19a und 19b. Die Wohnhäuser mit den Hausnummern 21 und 21a wurden in den 1980er Jahren im ehemaligen Garten des Hauses erbaut.

Das ehemalige Wohnhaus der Familie Pagener in der Raiffeisenstraße 19. Die Anbauten hinten dienten als Viehstall. Nach der Enteignung wurden sie zu Wohnungen augebaut. Foto von 2024
Die Häuser mit den Nummern 19a und 19b sowie 21 und 21a befinden sich auf dem Grundstück, das einmal zum Haus der Familie Pagener gehörte. Foto von 2024.

Uhlhorn, Charlotte: Alte Ortsstraßen. (Rasteder Rückblicke 2), Oldenburg: Isensee 2015, S. 77.