Gärtnerei Albertzard – einer von vielen Einsatzorten von Zwangsarbeiter*innen in der Landwirtschaft
auf dem Vorwerk-Gelände, Oldenburger Str. 100, 26180 Rastede
Da immer mehr deutsche Männer an die Front mussten, beantragten die Landwirte über die Orts- und Kreisbauernschaft Zwangsarbeiter*innen beim Arbeitsamt. Diese wurden direkt auf den jeweiligen Höfen untergebracht. Auch hierzu gibt es nur sehr wenige und ungenaue Dokumente. Erhalten ist eine Liste, der man entnehmen kann, welche polnischen Zwangsarbeiter*innen am 31. März 1943 verschiedenen Rasteder Bauern zugeteilt wurden:
- Irena Ludwiszak, 19 Jahre alt, wurde an Friedrich Bartels aus Bekhausen überstellt
- Stefan Maranwicz, 22 Jahre alt, wurde an August Koch aus Ipwegermoor überstellt
- Tadeus Waita…, 19 Jahre alt, wurde an den Hof Decker in Lehmdenermoor überstellt
- Kasimier Swieczewski, 18 Jahre alt, wurde an Gerh. von Häfen aus Bekhausen überstellt
- Wladislawa Cebulska, 23 Jahre alt, wurde an Gerh. Ahlers aus Bekhausen überstellt
- Bronislawa Marinowski, 56 Jahre alt, Josef Marinowski, 50 Jahre alt und Sofia Marinowska, 29 Jahre alt, wurden an Wilhelm Albertzard aus Südende überstellt
- Marie Marinowski, 21 Jahre alt, wurde an Georg Ahlers aus Rastede überstellt
Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3. Osnabrück: Druck- und Verlagskooperative 1996, S. 45. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Außerdem ist bekannt, dass bei den folgenden Rasteder Großbauern jeweils mehr als zehn Zwangsarbeiter*innen eingesetzt waren:
- W. Wiegreffe
- Bulling
- H. H. Hullmann
- Frl. Funk
Beitrag für den Schülerwettbewerb Batholomäus-Schink-Preis an der KGS Rastede. Zit. nach: Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3, S. 74. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Der Einsatz einzelner polnischer Arbeitskräfte in bäuerlichen Betrieben machte eine lückenlose polizeiliche Überwachung unmöglich. Daher wurden nicht nur die jeweiligen Betriebsführer, sondern die gesamte Landbevölkerung von den Behörden dazu aufgefordert, „ein wachsames Auge auf das Verhalten der polnischen Kräfte“ zu werfen. Sonst bestehe Gefahr, das sich „bevölkerungs- und rassenpolitisch unerwünschte Beziehungen“ von deutschen und polnischen Männern und Frauen entwickelten.
Hoffmann, Katharina: Ausländische ZwangsarbeiterInnen in Oldenburg während des Zweiten Weltkrieges. Eine Rekonstruktion der Lebensverhältnisse und Analyse von Erinnerungen deutscher und polnischer ZeitzeugInnen: Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades der Philosophie des Fachbereichs Sozialwissenschaften an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg. Oldenburg: April 1999, S. 37. (Die Arbeit ist online verfügbar unter http://oops.uni-oldenburg.de/387/1/420.pdf).
Wie für den Umgang mit Kriegsgefangenen gab es auch für den Umgang mit den zumeist polnischen Zwangsarbeiter*innen auf den Höfen Verhaltensvorschriften. So durften Deutsche nicht gemeinsam mit ihnen essen und ihnen auch nichts geben außer gebrauchter Arbeitskleidung. Bei vollzogenem Geschlechtsverkehr zwischen Pol*innen und Deutschen drohte eine lange Haftstrafe für die Deutschen und die Todesstrafe für die Pol*innen.
Heuzeroth, Günter: Die im Dreck lebten: Ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und die Lager in den Landkreisen Ammerland, Wesermarsch und Friesland. Reihe: Unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus: Dargestellt an den Ereignissen in Weser-Ems: 1339-1945: Band IV/3, S. 24. (Das Buch kann in der Gemeindebücherei Rastede ausgeliehen werden.)
Belegt ist der Fall einer Bäuerin aus einem Dorf bei Rastede, die wegen einer intimen Beziehung mit einem serbischen Kriegsgefangenen zu vier Jahren Zucht und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt wurde. Ihre Gnadengesuche wurde auch deshalb abgelehnt, weil „es sich nicht um eine einmalige Verfehlung handelt“ und sie „dem nationalsozialistischen Staat gegenüber sich ablehnend verhält.“
Der Oberstaatsanwalt an das RJM vom 23.10.1944 zum Gesuch des Verteidigers um Strafaussetzung mit
Bewährungsfrist, Pkt. I, 2. StAO, Best. 140-4 Nr. 106. zit. nach: Hoffmann, Katharina: Ausländische ZwangsarbeiterInnen in Oldenburg während des Zweiten Weltkrieges. Eine Rekonstruktion der Lebensverhältnisse und Analyse von Erinnerungen deutscher und polnischer ZeitzeugInnen: Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades der Philosophie des Fachbereichs Sozialwissenschaften an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg. Oldenburg: April 1999, S. 248. (Die Arbeit ist online verfügbar unter http://oops.uni-oldenburg.de/387/1/420.pdf).
Erinnerungen des Zeitzeugen Herrn Lehners aus Rastede
Herr Lehners arbeitete als Junge auf Hof Brötje, dem späterem Hof Kleibrok im Roggenmoorweg. Er berichtete, dass die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangenen auf den Höfen zumeist besser waren als in den Lagern. Auf den Höfen wurden von jeher Saisonarbeiter*innen eingesetzt, die dort auch wohnten. Die in den Kriegsjahren eingesetzten Zwangsarbeiter*innen wurden wohl oft ähnlich behandelt wie zuvor die Saisonarbeiter*innen. Herr Lehners erinnerte sich, dass auf dem Hof Brötje ein Russe namens Wassili arbeitete, der das Kennzeichen „Ost“ trug, und eine Familie, zwei Polen sowie ein Ukrainer mit Namen Iwan. Iwan habe beim Pflügen als Gespannführer gearbeitet. Während des Zweiten Weltkrieges herrschte eine große Not, alle hatten nur sehr wenig zu essen. Herr Lehners zufolge erhielten alle Arbeiter auf Hof Brötje die gleiche Ration: einmal am Tag Schwarzbrot mit 2 Talern Mett.